Natürlich gibt es allgemeingültige Regeln, die man bei Bewerbungen beachten soll und die fast immer zählen. Allerdings legt jedes Unternehmen auch eigene Schwerpunkte. Um einen Überblick zu geben, welches Unternehmen worauf Wert legt, starten wir heute die Interviewserie “Bewerbung schreiben für:” mit führenden Persönlichkeiten im Recruitment bei großen Unternehmen in Deutschland und in der Schweiz.
Möglichst jeden zweiten Mittwoch, manchmal aber auch in unregelmäßigen Abständen findet Ihr dann an dieser Stelle ein neues Interview mit einem der führenden Köpfe der deutschen und Schweizer Recruitingwelt. So soll langfristig ein kleines Lexikon entstehen, in dem Ihr nachschauen könnt, was bei dem Unternehmen eurer Wahl bei der Bewerbung und dem Vorstellungsgespräch besonderes wichtig ist. Alle Unternehmen bekommen die gleichen Fragen gestellt, um eine möglichst große Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Beginnen werden wir die Serie mit Martin Geissmann, Head Of Global Recruitment bei dem zweitgrößten Rückversicherer der Welt, Swiss Reinsurance. Er hat mich netterweise für das Interview zur Swiss Re nach Adliswil eingeladen.
Martin Geissmann, Absolvent in Betriebsökonomie an der Fachhochschule Nordwestschweiz, ist Global Head Recruiting bei der Swiss Re, einem der weltweit führenden Rück-/Versicherer. Swiss Re ist sehr auf erfahrene und kompetente Spezialisten im Versicherungsumfeld angewiesen. Welche Positionen dort genau momentan gesucht werden, findet Ihr hier.
1) Wie viele Stellen haben Sie letztes Jahr besetzt und mit wie vielen Neueinstellungen rechnen Sie dieses Jahr?
In der Schweiz haben wir 2013 ca. 350 neue Mitarbeitende eingestellt. 2014 werden sich die Neuanstellungen auf einem ähnlichen Niveau bewegen.
2) Wie viele Mitarbeiter hat Ihr Unternehmen im DACH-Gebiet und Global?
Weltweit hat Swiss Re 11´818 Mitarbeiter, stand Dezember 2013. Davon arbeiten momentan 3´270 in der Schweiz und 559 in Deutschland.
3) Worauf legen Sie bei einer Bewerbung besonders wert?
Für uns ist wichtig, dass den Kandidaten Klarheit und Authentizität auszeichnen. Abgesehen von den fachlichen Qualifikationen sollten die Bewerber wissen, wo Ihre Kompetenzen liegen, was Ihre Persönlichkeit ausmacht und was Ihre Motivation ist sich bei Swiss Re im Allgemeinen und für diese eine Position im Speziellen zu bewerben. Wenn sie dies dann auch noch entsprechend kommunizieren, haben sie schon einiges gut gemacht.
4) Was sollten Bewerber unbedingt vorher wissen, wenn Sie sich bei Ihnen bewerben?
Er/sie sollte eine klare Vorstellung haben, wie der nächste Karriereschritt aussehen soll, welche Kompetenzen und welche Persönlichkeit eingebracht werden kann und er/sie sollte sich über die Swiss Re (Produkte, Kunden, Märkte) informiert haben.
5) Womit ist der Bewerber sofort raus?
Eine schlechte Vorbereitung ist nicht zu verzeihen. Auch sollte der Kandidat einen klaren Fokus darstellen können, sonst wird es schwierig.
6) Die schlimmste Fehler in einer Bewerbung, an den Sie sich erinnern?
Ein Klassiker ist die copy/paste-Falle: Es wird in der Email oder im Bewerbungsschreiben eine andere Unternehmung erwähnt. Schwierig wird es auch wenn ein Bewerber im Vorstellungsgespräch überhaupt keine eigenen Fragen stellt oder sich desinteressiert zeigt.
7) Gab es eine Bewerbung, die Sie sofort beeindruckt hat und wurde der Kandidat auch eingestellt?
Der erste Eindruck zählt: Ja es kommt vor das Inhalt und Form einer Bewerbung stimmen und einem sofort ansprechen. Ob ein Kandidat dann angestellt wird, hängt jedoch von einem intensiven Selektionsprozess ab. Es geht darum einen ersten positiven Eindruck auf Herz und Nieren zu prüfen; mit kompetenzbasierten Selektionskriterien wird ein positiver erster Eindruck entweder bestätigt oder auch wieder korrigiert. Das Profil und die Persönlichkeit müssen stimmen.
8) Wie lange dauert der Bewerbungsprozess bei Ihnen im Schnitt von der abgesendeten Bewerbung bis zur Vertragsunterschrift?
Da Swiss Re viele komplexe Profile in einem internationalen Umfeld sucht, dauert der Prozess durchschnittlich drei Monate – entscheidend ist die Qualität UND das Tempo.
9) Gehaltsforderungen ins Anschreiben Ja oder Nein?
Nein; aber im Interview wird dieses Thema meistens erstmals angesprochen und dann müssen klare Vorstellungen (als Verhandlungsbasis) klar kommuniziert werden können.
10) Können sich Bewerber auf mehrere Stellen gleichzeitig bewerben oder ist das eher ungern gesehen?
Ja; das ist auf jeden Fall möglich wobei ein klares Konzept hinter Mehrfachbewerbungen sichtbar sein sollte.
11) Machen Sie einen Backgroundcheck der Kandidaten, beispielsweise in den Social Network Accounts oder bei Google?
Nein, nicht in Social Media Accounts oder via Suchmaschinen. Bei KandidatInnen, die von Swiss Re einstellt werden, führen wir einen Backgroundcheck durch – mit Fokus auf allfällige Vorstrafen; wir verlangen einen Strafregisterauszug.
12) Ist ein Tippfehler sofort das Aus?
Nein, ist er nicht. Unschön, aber wenn der Rest der Bewerbung in einer guten Qualität abgeliefert wird und das Profil auf die Ausschreibung passt ist das noch kein show-stopper.
13) Lebenslauf – chronologisch, umgekehrt chronologisch oder eher thematisch?
Umgekehrt Chronologisch, also die aktuelle Position zuerst.
14) Mit oder ohne Bewerbungsfoto?
Eine schwierige Frage und deswegen zwei Antworten: In der DACH-Region gehört ein Foto immer noch zum Standard. Hier gilt die bekannte Regel immer noch: wenn ein Foto dann ein professionelles Bild. Im internationalen Kontext ist ein Foto nicht relevant und in einigen Ländern sogar ein absolutes No-Go. Das Bild einer Person (bewusst aber ganz sicher unbewusst) definiert einen ersten Eindruck. Der Fokus muss aber ganz klar auf den Kompetenzen und Erfahrungen liegen – ganz persönlich bin ich der Meinung, dass Fotos von Lebensläufen verschwinden sollten.
15) Ist ein Deckblatt überflüssig oder bringt es Pluspunkte?
Weder noch, aber ein Deckblatt kann eine Bewerbung abrunden. In Zeiten von Online-Bewerbungen ist jedoch ein Deckblatt immer seltener anzutreffen.
16) Lieber Post, E-Mail oder Onlinebewerbungen?
Online. Alle unsere Bewerbungen laufen über unser Onlineportal www.swissre.com/careers.
17) Ab wann darf man Nachfragen, wenn man keine Antwort bekommt?
Ab ca. 10 Tagen halten wir das für angebracht.
18) Welcher Fehler wird am häufigsten im Vorstellungsgespräch gemacht?
Da sind einige zu nennen:
- Mangelnde Vorbereitung
- Es werden keine Fragen zum Unternehmen, zur Position, zum Team & Vorgesetzten gestellt
- Es wird nicht auf die gestellte Frage geantwortet
- Die Kandidaten schweifen vom Thema ab
19) Das schlimmste Erlebnis bei einem Vorstellungsgespräch?
Ein konkretes Beispiel möchte ich jetzt nicht nennen, aber was immer sehr schlecht ankommt ist zu spät kommen und eine ungepflegte Erscheinung.
20) Der beste Auftritt in einem Vorstellungsgespräch?
Wenn der Line Manager und der Interviewer positiv überrascht werden von der Kompetenz und Persönlichkeit des Kandidaten.
Herr Geissmann, vielen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch!
Immer gut zu wissen, worauf beim Recruitment bei verschiedenen Unternehmen geachtet wird. Danke für dieses sehr aufschlussreiche Interview!