Ein sehr interessanter Aspekt meiner Beratertätigkeit ist ja, dass ich mit vielen verschiedenen Menschen zu tun habe, die mir alle relativ viel über Ihre persönliche Situation erzählen, da dies oft für Ihre Bewerbung relevant ist. Einige Fälle sind dabei noch spezieller als andere.
Sehr speziell fand ich die (erfolgreiche) Bewerbung eines ausländischen Bewerbers in der Schweiz, der homosexuell ist. Irgendwann während der Beratung stellten wir uns die Frage, ob wie dies nicht im Bewerbungsprozess in einen Vorteil umwandeln können. Der Kandidat möchte nicht in einer breiten Öffentlichkeit geoutet werden, deswegen hat er mich gebeten, seine Daten vertraulich zu behandeln. Nennen wir Ihn hier aus praktischen Gründen einfach mal Ismael, was nicht sein richtiger Name ist.
Bewerbungspate: Hallo Ismael, vielen Dank für das anonymisierte Interview. Wie geht es Dir momentan?
Ismael: Mit geht es sehr gut danke. Ich bin froh, seit April einen neuen Job zu haben, in dem ich mich offen und frei bewegen kann und der mir viel Spaß macht.
Bewerbungspate: Das freut mich für Dich. Hier geht es ja heute um das Thema „Homosexualität im Bewerbungsprozess“. Du hast Dich ja bereits während Deiner Bewerbung geoutet. Wie kam es dazu?
Ismael: Als nicht EU- Ausländer in der Schweiz ist meine Aufenthaltsstatus direkt von meiner eingetragenen Partnerschaft abhängig. Somit kam uns während der Bewerbungsberatung bei Dir der Gedanke, dass ich es so oder so irgendwann erzählen muss, da zukünftige Arbeitgeber ja häufig wissen möchten, wie sicher meine Aufenthaltsbewilligung ist. Die Unternehmen fragen sowieso, was ich für eine Aufenthaltsbewilligung habe und wie ich Sie bekommen habe. Und sie bekommen auch eine Kopie bei der Einstellung. Da würden Sie dann „Eingetragene Partnerschaft“ sehen. Wenn ich also sagen würde, ich habe sie durch eine Hochzeit mit einer Frau, weiß mein Chef spätestens zu diesem Zeitpunkt, dass ich gelogen habe. Nach langem Überlegen wollte ich das nicht.
Bewerbungspate: Wie bist Du dann vorgegangen?
Ismael: Wir haben es nicht in den Lebenslauf geschrieben. Da haben wir nur geschrieben „Aufenthaltsbewilligung B“ und bis wann sie gültig ist. Ich habe den „Status“ einfach weggelassen. Ich hätte es auch nicht von mir aus im Vorstellungsgespräch gesagt. So lange ich nicht lügen musste, hätte ich nichts gesagt. Aber die Frage nach dem Aufenthaltsstatus kam dann tatsächlich und dann habe ich gesagt, dass ich verpartnert bin.
Bewerbungspate: Und wie hat Dein Gegenüber reagiert?
Ismael: Ganz locker. Er hat mich gefragt was mein Mann beruflich macht, wie wir uns kennen gelernt haben, wie lange wir schon zusammen sind und wie es in meinem Heimatland ist, schwul zu sein. Er wirkte wirklich interessiert und damit fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich glaube, er fand es sehr gut, dass ich so ehrlich war. Dadurch hatte ich den Rest des Gespräches über viel mehr Selbstvertrauen.
Bewerbungspate: Wie ging es nach dem Gespräch weiter?
Ismael: Am Ende des Gespräches fragte mich der Chef, ob ich einen Tag zur Probe arbeiten würde. Das habe ich dann auch zwei Wochen später gemacht und am 1. April habe ich fest dort begonnen.
Bewerbungspate: Und wie gefällt es Dir bisher?
Ismael: Sehr gut! Aber was anderes darf ich auch nicht sagen, denn ich bin ja noch in der Probezeit und mein Chef weiß, dass ich das Interview gebe und wird es bestimmt lesen(lacht). Aber ehrlich, ich kann hier ganz offen mit meiner Homosexualität umgehen, mein Mann war sogar mit beim Osterdinner! Ich bin auch nicht der einzige Homosexuelle hier, es gibt auch einige Lesben. Heute ist das in Städten wie Zürich wirklich kein großes Thema mehr. Wer weiß, vielleicht hätte ich mich auf dem Land für eine andere Lösung entschieden.
Bewerbungspate: Sehr schön Ismael, freut mich, dass es so gut funktioniert hat und vielen Dank für deine Bereitschaft zu diesem Gespräch.
Ismael: Bitte sehr, hat Spaß gemacht und vielen Dank noch einmal für Deine Hilfe bei der Bewerbung.